Vietnam-Notizen

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Knallhart nachgefragt in der Holzklasse

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Die Ventilatoren an der Decke ziehen ihre Kreise. Der Fahrtwind schießt durch die geöffneten Fenster in den Zugwagen und lindert doch nicht die Hitze. 40 Grad im Schatten. Wie jeden Tag. Schweißperlen rollen an meinen Schläfen hinunter, fließen in den Rahmen der Brille. Auch am Rücken ziehen sie ihre Bahnen. Dunkle Flecken auf dem hellen Hemd. Mein Körper arbeitet. Ich hasse das Schweißbad. Umso mehr verwundert mich der Anblick der Vietnamesen auf den Holzbänken. Normalerweise jammern sie über die hohen Temperaturen, im ständigen Widerspruch zu ihrer makellosen Erscheinung. Jetzt bedeckt eine Schweißschicht viele der erschöpften Gesichter. Es muss wirklich heiß sein.

Es sind rund 100 Kilometer von Ninh Binh bis zur Hauptstadt Hanoi. Knapp drei Stunden Fahrt. Viele Studenten sitzen in den Wägen, die auf dem Weg nach Hause sind. Vor wenigen Tagen haben die Semesterferien begonnen. Kurz vor jedem Halt schreien die Schaffner den Namen der Station durch den Zug. Natürlich verstehe ich kein Wort.

Ich bin der einzige Ausländer in der Holzklasse. Mir gegenüber sitzt eine ältere Frau. Sie mustert mich neugierig. Mit meinem kläglichen Vietnamesisch und ihrem kläglichen Englisch werfen wir uns Satzfragmente zu. Auch dieses Mal bekomme ich die für Vietnamesen scheinbar wichtigste aller Fragen gestellt: „Are you married?“. Und gleich hinterher: „Where is your girlfriend?“ Dazu muss man wissen: Für Vietnamesen ist die Familie die wichtigste Institution im Leben – von Anfang bis Ende. Sie ist das Element, das Halt und Glück verspricht. Viele Vietnamesen stellen ihre Wünsche und Bedürfnisse hinter das Glück in der Familie. So überrascht es mich nicht, dass die Frau zum Schluss wissen will: „Are you happy?“. Nach meinem Ja lehnt sie sich beruhigt zurück.

Noch zehn Kilometer bis zum Bahnhof von Hanoi. Die Häuserschluchten rücken näher, immer näher – bis es nicht mehr enger geht. In zwei Metern Abstand ziehen nun an beiden Seiten die Häuser vorbei. Der Spalt ist so eng, dass kein Sonnenstrahl das Innere des Zuges erreicht. Der Blick aus dem Zugfenster ist wie ein Logenplatz im Kino: In den Hauseingängen sitzen die Bewohner Hanois, schauen Fernsehen, schlafen. Andere schrauben an Motorrollern, kochen oder lesen mit nacktem Oberkörper Zeitung. Dem Zug schenken sie keine Beachtung.

Diese Menschen leben ganz nah an dem Zuggleis.

Hier fahren mehrmals am Tag Züge durch.

Zwischen Häusern und Zugstrecke ist wenig Platz.

Zwischen Häusern und Strecke ist wenig Platz.

In kurzen Abständen kreuzen Straßen das Gleis.

In kurzen Abständen kreuzen Straßen das Gleis.

Written by Fabian Schweyher

16. Juli 2010 at 05:53